Waiblinger Kreiszeitung vom 2. März 2004:

Herzraserei der Haselmaus kontra Elefantentrott
Ausstellung mit den Werken des Malers und Kunsttherapeuten Max G. Bailly im Rathaus Beutelsbach


Das Herz einer Haselmaus schlägt in den zwei Jahren ihrer durchschnittlichen Lebenszeit genauso oft wie das eines Elefanten in den etwa 75 Jahren, die dieser zu leben hat. Etwa gleich verhält es sich mit der Atmung der beiden possierlichen Tierchen. Wer also lebt länger?, und: Was ist Zeit? mag man sich angesichts dieser Fakten fragen.

Max G. Bailly, freischaffender Künstler und Dozent an der Freien Kunstschule Nürtingen sowie ehemals an der Fachhochschule für Kunsttherapie in Nürtingen, geht mit seinen Werken dem Phänomen Zeit auf die Spur. Seine Bilder sind der Versuch, das Unfassbare fassbar zu machen, oder, um mit Klee zu sprechen: „Kunst gibt nicht das Sichtbare wieder, sonder macht sichtbar.“ Inwieweit Bailly das mit seinen Kunstwerken gelungen ist, davon konnte man sich jetzt bei der Vernissage im Beutelsbacher Rathaus selbst ein Bild machen.

Deutlich erkennbar zieht sich durch die mittlerweile 30-jährige Schaffensperiode des Künstlers ein biografisches Auf und Ab: Krisen und Hochzeiten bestimmten Schaffensphasen und ließen Werkgruppen entstehen, die als Ganzes – als Opus – gesehen werden sollten. Zeichnung, Malerei und Materialbilder sind die drei wesentlichen Formen seines künstlerischen Ausdrucks, die er weniger in breiter Modifikation als in detaillierter Variation für sich nutzt.

Zeit dient Max G. Bailly also als wesentliches Element seiner gesamten, übergeordneten Werkgliederung, aber auch in den Bildern selbst ist das Thema Zeit immer wieder zu erspüren: In seinen Materialbildern etwa stoßen wir auf Schichtungen aus Karton, Papier und Stoff, die in ihrer Flächigkeit und zugleich ihrer Tiefe an Zeitstrukturen gemahnen. Zeit fungiert bei Bailly noch dazu als Tempoform: Um die „Vibration des malenden Pinsels zu leben“, erging er sich zeitweise in einem pausenlosen Malen ohne Absetzen des Pinsels, das allein aus der Geschwindigkeit und der Bewegung heraus lebte.

Aber auch Ruhe und Meditation findet man in den Werken von Bailly. Dichtungen von großen Mystikern sind in seine Ver-Dichtungen eingearbeitet, die gleich seismografischen Schwingen – oder auch als bedrucktes Stück Papier – mit in seine teils sehr farbenfrohen Bildern eingearbeitet sind. Seine Materialbilder spiegeln unter anderem auch seine Liebe zur Natur und zum Organischen wieder: Federn und Blätter etwa ergeben Strukturen und Räume, die das Gesamtwerk abrunden zu einem „Sinn-Spiel“ (Kurt Leonhard) aus Kunst einerseits und Leben andererseits.

Max G. Bailly, der an der Wiesbadener Werkkunstschule – einem Ausläufer des Bauhauses – studiert hat und nun in Unterensingen lebt und arbeitet, hat längst seinen Weg gefunden, und: Er ist sich „der eigenen Größe bewusst geworden, aber der angemessenen“. Er selbst versteht seine Bilder als Partituren und Notationen des Lebens, durch die ein Bildklang übermittelt werden soll.

So passte es gut, dass abrundend zu Max G. Baillys abstrakten Bildern Friedemann Dähn abstrakte Klangbilder auf seinem Cello „malte“, ganz in akustischem Weiß, Rot und Blau gehalten – hat doch dem Cellisten zufolge jede Farbe ihren ganz eigenen Klang.

So schlägt unser aller Herz – wie schnell auch immer – weiter für die Kunst, wie auch Oberbürgermeister Jürgen Oswald in seiner Ansprache nicht müde wurde zu betonen, denn „Kunst ist nicht die Sahne auf dem Kuchen, sondern die Hefe im Teig“. Möge sich auch die Haselmaus daran laben.

Andrea Jenewein